Alex' Gastbeitrag: Moodymann im Renaissance Rollerskate Club

Dank eines Tipps von Mister M. verschlug es mich am 04.03., einem Donnerstag, in ein etwas anderes Etablissement. Eigentlich müsste ich sagen, es verschlug mich in eine ganz und gar andere Zeit. Eine Zeit in der noch so manches friedlicher, entspannter und bunter zuging. Eine Zeit, in der viel neues angetastet wurde, z.B. Cola mit Kirsche oder Stirnband auch ohne Sport. Eine Zeit, in der Shaft noch nichts mit Rasieren zu tun hatte. Die Dekadenz der Parties trieb ebenfalls immer weitere Blüten. Eine der außergewöhnlichsten und wunderbarsten Fusionsideen war die Rollerdisko. 
 Leider, aus mir unerfindlichen Gründen, ist es schwer heutzutage eine Rollerdisko zu finden. Ihr Zenit scheint längst überschritten, die Partykultur eine andere. So habe auch ich Rollerdiskos bisher nur aus dem Fernsehen und einschlägigen Filmen gekannt. Jedoch findet sich im Herzen Londons ein Club, der sich wacker dem Zeitgeist widersetzt. Auch wenn er zum gegebenen Anlass, Donnerstag Abends eine Veranstaltung der großen Red Bull Music Academy beheimatete. Warum sich bereits gegen acht Uhr Abends die Besucher mit über einer halben Stunde Wartezeit die Füße in den Bauch standen lässt sich einfach erklären, die Aufwartung machte Kenny Dixon Jr. -Moodyman. 
 Im Club wurde erst einmal in die Rollschuhe geschlüpft. Man wollte ja nicht zu den geschätzten 2% der Spaßbremsen gehören, die sich in festem Schuhwerk sichtlich überschaubar amüsierten. Ab jetzt ging es überall auf Rollern hin, egal ob an die Bar, aufs Klo oder in den Raucherbereich. Den größten Thrill haben natürlich die beiden großen Tanzflächen geboten. Einträchtig im Kreis fahrend, mit der ein oder anderen gewagten Tanzeinlage bestückt, drehten sich die Fahrer gemütlich zu sehr wohl ausgegorener Diskomusik. Diese gab es gelegentlich untermalt von einer Tiefen Bassstimme, die einen zu immer gewagteren Begeisterungspirouetten bewegte. Das Publikum war angenehm heterogen, egal ob alt oder jung, weiß oder schwarz, jeder hatte seinen Spaß. Neben einigen Exzentrischen Rollerfahrern (hautenge Ganzkörperanzüge und customized Rollschuhe) gab es sogar ganze Rollschuhclubs und Choreographiegruppen. Überhaupt wurde eine Gruppe von Rollschuhakrobaten in der Mitte des größeren Dancefloors von einigen Photographen und Kameraleuten belagert. Was hier geboten wurde war alleine schon der Eintritt von 10 Pfund wert.
Die Beschallung durfte sich in einem Club ausbreiten, der dem Anlass durchaus gerecht wurde. Der 'Renaissance Rooms' glänzt mit einem vorsichtigen siebziger Jahre Look. Es ist bunt, aber erträglich für Partygänger, die spartanisch eingerichtete Clubs gewöhnt sind. Es ist wunderbar altmodisch ausgeleuchtet. Die Scheinwerfer haben in der Regel rote und blaue Blenden. Überdimensionierte Spiegel mit opulenter Goldrahmung ist ein offensichtlicher Querverweis auf den Clubnamen.

 Ein ganz großes Leider hat meinen Abend jedoch getrübt. Moodyman begann mit seinem Set erst gegen viertel vor 12, in etwa die Zeit, zu der wir schon gehen mussten, um die letzte Tube zu erwischen (Hier ein besonderer Dank an 'Transport for London', eine Verkehrsgesellschaft, die einer Metropole mit Sicherheit nicht angemessen ist).
Immerhin gehört man ja zum arbeitenden Teil der Bevölkerung und musste am folgenden Freitag wieder raus.
 So blieben uns nur 15 Minuten von Moodymans Auftritt. Die hatten es jedoch in sich. Mit drei wunderschön-funky House Stücken begann er seinen Teil des Abends. Dies alles begleitet mit Anfeuerungsrufen an die feiernde Rollercrowd -insbesondere jedoch an die Frauen im Haus. Sehr wehmütig, etwas angetrunken, jedoch letztendlich aber vollends sicher auf den Rollschuhen, begaben wir uns Richtung Schuhabgabe. Dieser unvergessliche Abend nahm leider ein zu frühes Ende, aber eins ist klar, wir kommen wieder zu einem weiteren Besuch in Londons Rollerdisko Nr. 1!

Den Mitschnitt zu Moodymans Set findet ihr hier:
http://redbullmusicacademyradio.com/shows/2497/